Mein Lieblingsbuch: Joseph Hellers: Something happened....

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    • Mein Lieblingsbuch: Joseph Hellers: Something happened....

      Joseph Heller ist, zusammen mit Ayn Rand und Franz Kafka, einer meiner Lieblingsschriftsteller.

      "Mir ist nicht geheuer....::" ( Bob Slocum )

      In "Was geschah mit Slocum ?", im Original passender: "Something happened...", wird ein Ausschnitt aus dem Leben des Versicherungsangestellten Bob Slocum geschildert.

      Slocum geht schon lange nicht mehr von Haus zu Haus, er ist im mittleren Management angekommen, strebt das höhere Management an, das er vermutlich aber nie erreichen wird und hat große Angst, im unteren Management zu landen, wenn seine Quartalszahlen nicht gut genug ausfallen. Sein Lebenssinn besteht in der Arbeit. Er ist zwar auch verheiratet, natürlich glücklich, wie er reflexartig auf Nachfrage anmerkt, er hat auch Kinder ( muß erst einmal überlegen wieviele, denn sein behindertes Kind hat er bis heute nicht als sein Kind angenommen ).
      Finanziell geht es ihm sehr gut. Da er nur arbeitet, auch am Wochenende, kommt er ohnehin nicht dazu sein Geld auszugeben. Diese Aufgabe übernimmt seine Frau. "Arbeitsteilung" nennt Bob Slocum es lachend, obwohl im gleich darauf das Lachen im Halse stecken bleibt.

      In einem schleichenden Prozess, ausgelöst durch Unsicherheiten bei einer Vorstellung der Bilanzen, merkt er, daß er längst den Halt in seinem Leben verloren hat.
      Oder besser: seine Mitte. Sein Job ist für ihn eigentlich bedeutungslos geworden. Er tritt auf der Stelle. Seine Mitmenschen straft er mit Nichtachtung und Zynismus. Wichtig ist ihm nur, daß er den Aufstieg anderer verhindern kann, sowie daß die anderen nicht seinen verhindern. Auf einmal kämpft Slocum mit Panikattacken und Angstzuständen und schlimmer: Selbstzweifel.
      Obwohl er diese nie richtig benennen kann. Er sagt dann: Mir ist nicht geheuer !

      Slocum sieht, daß die Konzentration auf den Job sein Leben statisch gemacht hat. Er versucht hilflos die Beziehung zu seiner Umwelt, zu seinen Kindern, seiner Frau, seinen Mitmenschen zu verbessern oder wieder aufzubauen. Aber die menschliche Kälte, die sein Versicherungskonzern ausstrahlt, hat sich längst auf ihn übertragen. Er kann stundenlang über Risikovorsorge, Charttechniken und Versicherungsregularien schwadronieren, ist aber nicht mehr in der Lage, seiner Frau oder seinen Kindern zu zeigen, daß er sie liebt. Er ist ein homo oeconomicus geworden, der jederzeit das Marktgeschehen im Blick hat, aber selbst sein eigenes Spiegelbild nicht mehr wahrnehmen kann. So strampelt sich Slocum ab, um etwas menschlicher zu werden, hat geringe Teilerfolge, aber immer größere Rückschläge. Seine greisen Eltern, die er nur noch als Kostenfaktoren sieht, deren Kostennutzenrelation stark negativ ist, kann er keinerlei Mitgefühl entgegenbringen. Andere Verwandte sind auch in einem kritischen Alter, oder nehmen als Wirtschaftssubjekte noch nicht aktiv am Markt teil, sind also unproduktiv, sprich Kinder,
      Ausgerechnet in den wenigen Phasen, wo Slocum so etwas wie Gefühl zeigt, sagt seine Frau:
      " Bob, ich erkenne Dich nicht wieder. Du hast Dich so verändert. " Eigentlich ist er innerlich schon geschieden, oder besser, seine Frau dient der Aufrechterhaltung steuerlicher Privilegien.
      Sex hat er noch mit Sekretärinnen, am liebsten mit denen aus der Vorstandsetage, dies dient aber eher der Befriedigung seines Egos (Statussymbole), als seiner sexuellen Befriedigung.
      Bob weiß nicht, ob er mehr Angst davor hat Gefühle zu zeigen, oder ob er mehr Angst vor der erstaunten Umwelt hat, wenn er diese zeigt. Er kommt sich vor wie im Treibsand. Auch in seiner Karriere verliert er an Boden, er wird immer apathischer und gleichgültiger. Als sein Sohn von Ärger mit dem Sportlehrer erzählt, zeigt Slocum ungewöhnliches Engagement und setzt sich für seinen Sohn ein. Im genialen "Dialog" zieht er alle intellektuellen Register, deren rhetorische Spitzen aber weitestgehend am eher simpel strukturiertem Sportlehrer abprallen. " Bei soviel Ignoranz kann man ja nur noch mit der Keule draufhauen....", denkt Bob Slocum.

      Dies scheint eine Art Wendepunkt zu sein, er sieht daß er diesen Krieg nicht gewinnen kann und wendet sich den Machtkämpfen in seiner Firma zu. Er ist wieder in seinem Element.
      Seine Gegner, die ihn längst abgeschrieben haben, sind erschrocken.
      Er unterdrückt seine Gefühle wieder, er macht Leute wieder vor versammelter Mannschaft runter, Gleichzeitg perfektioniert er seine "Teamfähigkeit", die natürlich nur eine nach außen vorgespielte Fassade ist, um seine Vorgesetzten zufriedenzustellen.
      " Wenn ich in die Firma gehe, ist daß so, als würde ich jeden Tag in den Krieg ziehen."
      Der alte Bob Slocum ist wieder da. So endet der Roman mit dem Satz: "Wie ich die Zügel in die Hand genommen habe sagt offebar allen zu."

      Besser kann man seinen Realitätsverlust und sein privates Scheitern nicht auf den Punkt bringen. Der Roman ist über 550 Seiten lang und in einem einzigen inneren Monolog geschrieben. Joseph Heller hat über 10 Jahre an dem Roman gearbeitet und an jedem Satz gefeilt. Ein literarisches Präzionswerk.
      In den USA wird dieses Buch auch in den Schulen gelesen, in D/NL ist es leider nicht so bekannt.
      Obwohl Heller mit "Catch-22" und "Gut wie Gold" auch in D bekannt geworden ist.

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von Caroline Kaiser ()